Vor bald 20 Jahren gründete der damalige Präsident Kasachstans Nursultan Nasarbajew den Religionskongress, den Papst Franziskus nächste Woche besucht. Das Kirchenoberhaupt wird viel Aufmerksamkeit auf diesen Kongress ziehen, und das ist gut, sagt Thomas Helm, der Vorsitzende der Deutsch-Kasachischen Gesellschaft.
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Helm leitete 2015 bis 2020 das Kasachstan-Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er hat für die katholischen Hilfswerke Missio und Renovabis einen Bericht über Religionsfreiheit in Kasachstan verfasst und war selbst bei einem der Religionskongresse präsent, die seit 2003 im Dreijahresrhythmus in der Hauptstadt stattfinden.
Radio Vatikan: Wie kann man sich diese Veranstaltung vorstellen, was erwartet den Papst bei diesem Religions-Kongress?
Thomas Helm: Es ist zunächst einmal natürlich wahnsinnig erfreulich für Kasachstan und für den Kongress selbst, dass der Papst persönlich teilnimmt. Das wird ein Highlight. Es ist der zweite Papstbesuch, nachdem im Jahre 2001 Johannes Paul II. in Kasachstan gewesen ist. Der Papst wird im Zentrum dieses Kongresses stehen.
Thomas Helm, Kasachstan-Fachmann, in unserem Interview
Radio Vatikan: Kurzfristig wurde der Ort des Religions-Kongresses verlegt, und zwar von der „Pyramide der Einheit und der Verständigung“ in den Palast der Unabhängigkeit. Die Pyramide hat der britische Star-Architekt Norman Foster entworfen, sie besteht aus Glas - welche Symbolik knüpft sich daran?
Thomas Helm: Ursprünglich ist dieses Gebäude errichtet worden, um die Versammlung der Völker Kasachstans zu beherbergen. Die Kasachen waren 1991 Minderheit im eigenen Land und hatten 100 Ethnien, das ist bis heute so. Um Konflikte zu verhandeln und es nicht zu Aufruhen oder Unruhen kommen zu lassen, hat man diese Institution gegründet. Die Religion hängt aber auch mit ethnischen Fragen zusammen, man merkte, dass man allein ethnische Fragen von den religiösen Fragen nicht trennen kann. 2003 war der erste Kongress. Alle Weltreligionen sind in Kasachstan über die ethnischen Gruppen vertreten. Für das Land und in Zentralasien hat es eine ziemliche Symbolwirkung und auch eine gewisse Stellung.
Radio Vatikan: Der Kongress der Religionen wegen Corona wurde trotzdem ausgelagert, aber der neue Veranstaltungsort, der Palast der Unabhängigkeit ist quasi gegenüber.
Thomas Helm: Ja, der Saal ist einfach größer! Das ändert aber nichts an der Symbolik mit der Glaspyramide, die man ganz bewusst wegen der Transparenz und der Offenheit gewählt hat.
„Kasachstan selbst ist sehr daran interessiert, als Vermittler auch von möglichen Konflikten dazustehen“
Radio Vatikan: Welchen Rang hat der Religionskongress in der öffentlichen Wahrnehmung in Kasachstan oder überhaupt in Zentralasien? Interessiert das dort die Öffentlichkeit?
Thomas Helm: Man ist an einem gedeihlichen Zusammenleben der Religionen interessiert. Kasachstan selbst ist sehr daran interessiert, als Vermittler auch von möglichen Konflikten dazustehen. So zum Beispiel haben Syrienkonferenzen in Kasachstan stattgefunden. Kasachstan hat den Vorsitz in der OSZE gehabt. Man versucht immer wieder Vermittlerrollen einzunehmen, und das wird im Land sehr goutiert, weil man durch diese multivektorale Ausrichtung der Politik versucht, Kräfte und Macht und auch mögliche Konflikte auszugleichen, einschließlich Religionskonflikte. Diese Position wird im Land geschätzt und wahrgenommen. Jetzt in der besonderen Situation, ein Jahr nach Afghanistan, hat man natürlich besondere Angst vor islamistischen Terrorismus, obwohl Kasachstan keine gemeinsame Grenze mit Afghanistan hat. Aber das Nachbarland von Kasachstan hat bereits eine gemeinsame Grenze, deshalb ist man umso interessierter, dass es zu einer Entschärfung von Situationen und von Konflikten kommt.
Radio Vatikan: Gut zwei Drittel der Kasachen sind Muslime, ein Viertel sind Christen, davon fast alle russisch-orthodox. Das Zusammenleben der Religionen ist friedlich. Warum klappt das in Kasachstan, was anderswo weniger gut klappt? Hat das aus Ihrer Sicht eher religionsinhärente Gründe, also eine lokal besonders friedliche Ausprägung der einzelnen Religionen, oder hat es in erster Linie politische Gründe?
Thomas Helm: Beides. Mit dieser Institution, die schon lange besteht, ist es gelungen, Konflikte zu verhandeln und es nicht zu offenen Konflikten kommen zu lassen. Auf der anderen Seite wird schon in die religiöse Freiheit eingegriffen und zwar im besonderen Maße in Bezug auf den Islam. So ist zum Beispiel die Ausbildung der Imame unter staatlicher Kontrolle. Es wird auch geschaut, was in den Moscheen gepredigt wird. Ein Ministerium ist dafür zuständig. Aber ganz wichtig ist, dass kontrolliert wird. Der Staat an sich ist säkular. Die Religionsfreiheit ist zwar im Grundsatz garantiert, aber um extremistische Auswüchse zu verhindern, greift der Staat ein. Die Eingriffe zielen vor allem auf den Islam. Damit es aber nicht zu Ärger kommt und eine Religion sagt, man werde besonders kontrolliert, wird auch bei den anderen Religionsgemeinschaften hingesehen.
„Der Papst beziehungsweise die Kirche insgesamt hat einen sehr guten Ruf in Kasachstan“
Radio Vatikan: In Kasachstan leben nur ein Prozent Katholiken, wie wird denn deren Oberhaupt, der Papst, dort wahrgenommen?
Thomas Helm: Der Papst beziehungsweise die Kirche insgesamt hat einen sehr guten Ruf in Kasachstan. Das geht noch auf Johannes Paul II. zurück. Man hat es dem Papst sehr hoch angerechnet, dass er 2001 trotz der Schwierigkeiten nach Kasachstan gekommen ist. Sein Besuch in Kasachstan wurde als besonders mutig angesehen, da er wenige Tage, ganz kurze Zeit nach dem 11. September 2001, stattfand. Damals waren alle Flugzeuge am Boden und niemand ist geflogen aus Angst vor Terrorismus. Der Papst hat seinen Besuch durchgezogen. Er ist nach Kasachstan geflogen, auch um die Eröffnung der katholischen Kirche in Astana zu machen. Das wurde ihm hoch angerechnet und das überträgt sich natürlich auch. Ich habe einmal ein längeres Gespräch mit dem päpstlichen Nuntius in Astana gehabt, man fühlt sich schon wahrgenommen und gut betreut.
(vatican news – gs)
Author: Ms. Ashley Trujillo
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